Das deutsche Leistungsschutzrecht für Verleger – und die fehlende EU-Notifizierung

Die deutsche Regelung, die es Suchmaschinen untersagt, Pressesnippets ohne Genehmigung des Verlegers zu verwenden, ist mangels vorheriger Übermittlung an die EUKommission nicht anwendbar.

Das deutsche Leistungsschutzrecht für Verleger – und die fehlende EU-Notifizierung

Bei diesem Leistungsschutzrecht handelt sich nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union um eine Vorschrift betreffend einen Dienst der Informationsgesellschaft und somit um eine „technische Vorschrift“, deren Entwurf der EUKommission zu notifizieren ist.

Diese Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union erging auf ein Vorabentscheidungsersuchen, das das Landgericht Berlin in einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit zwischen der VG Media, einer von Verlegern insbesondere für die Verwertung dieses Leistungsschutzrechts gegründete deutsche Verwertungsgesellschaft, und Google an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet hatte.

Die VG Medien hatte vor dem Landgericht Berlin Schadensersatzklage gegen Google erhoben, weil dieses Unternehmen die dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte mehrerer ihrer Mitglieder, die Presseverleger sind, verletzt habe. VG Media bringt vor, das Unternehmen Google LLC habe seit dem 1. August 2013 in seiner Suchmaschine und auf seiner automatisierten Nachrichtenseite „Google News“ Pressesnippets, d.h. kurze Ausschnitte oder Zusammenfassungen von Pressetexten ihrer Mitglieder verwendet, ohne hierfür ein Entgelt zu entrichten. Das Landgericht Berlin hatte Zweifel, ob sich VG Media gegenüber Google auf die einschlägige, am 1. August 2013 zum Schutz der Presseverleger in Kraft getretene deutsche Regelung des § 87g Abs. 4 UrhG berufen kann. Diese Regelung verbietet es ausschließlich gewerblichen Betreibern von Suchmaschinen und gewerblichen Anbietern von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten, Presseerzeugnisse oder Teile hiervon ausgenommen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte öffentlich zugänglich zu machen.

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Das Landgericht Berlin erstrebte im Rahmen seines Vorabentscheidungsersuchens vom Gerichtshof der Europäischen Union die Klärung der Rechtsfrage, ob diese Regelung eine „technische Vorschrift“ im Sinne der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft1 darstellt, die als solche der Kommission hätte übermittelt werden müssen, um dem Einzelnen entgegengehalten werden zu können.

Im Wege eines solchen Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen nach der Auslegung des europäischen Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Europäischen Union vorlegen. Der Unionsgerichtshof entscheidet dabei nicht über den nationalen Rechtsstreit, sondern ausschließlich über die vorgelegte Rechtsfrage. Es ist und bleibt Sache des nationalen Gerichts, sodann über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Unionsgerichtshofs zu entscheiden. Die Entscheidung des Unionsgerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

Mit seinem jetzt verkündeten Urteil bejaht dies der Unionsgerichtshof die Notifizierungspflicht:

Eine Regelung wie die in Rede stehende stellt eine Vorschrift betreffend Dienste der Informationsgesellschaft und somit eine „technische Vorschrift“ dar. Sie zielt nämlich speziell auf die betreffenden Dienste ab, da sie offenbar die Presseverleger gegen Verletzungen des Urheberrechts durch OnlineSuchmaschinen schützen soll. In diesem Rahmen scheint ein Schutz nur gegen systematische Verletzungen der Werke der OnlineVerleger, die von Anbietern von Diensten der Informationsgesellschaft begangen wurden, für erforderlich erachtet worden zu sein.

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Soweit eine solche Regelung speziell auf die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft abzielt, ist der Entwurf einer technischen Vorschrift der Kommission vorab zu übermitteln. Ist dies wie hier nicht geschehen, kann ein Einzelner deren Unanwendbarkeit geltend machen.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 12. September 2019 – C-299/17

  1. ABl. 1998, L 204, S. 37; in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998, ABl. 1998, L 217, S. 18, geänderten Fassung; diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft, ABl. 2015, L 241, S. 1, aufgehoben, die am 7. Oktober 2015, d. h. nach dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt, in Kraft getreten ist.[]