Eintritt des Versicherungsfalls bei der Zahn-Zusatzversicherung

Versicherungsfall ist nach § 1 Nr. 2 Satz 1 AVB 2008 der Beklagten die medizinisch notwendige Heilbehandlung. Entgegen der Auffassung des Klägers bestand nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts hinsichtlich Zahn 27 bereits am 20.06.2008 Behandlungsbedürftigkeit in diesem Sinn.

Mit dem Begriff „medizinisch notwendige“ Heilbehandlung wird auch für den Versicherungsnehmer erkennbar nicht an den Vertrag zwischen ihm und dem behandelnden Arzt und die danach geschuldete medizinische Heilbehandlung angeknüpft. Vielmehr wird zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver; vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommen kann. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Demgemäß liegt eine medizinisch notwendige Heilbehandlung i.S. des § 1 Nr. 2 AVB 2008 vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen1.

Gemäß § 1 Nr. 2 Satz 2 AVB 2008 beginnt der Versicherungsfall mit der Heilbehandlung. Nach ständiger Bundesgerichtshofsrechtsprechung gehört zur „Behandlung“ einer Krankheit nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist. Bei schon bekannten Krankheiten, bei denen es Arzt und Patient darum geht, nach in sich abgeschlossener erster Behandlungsphase verbliebene Krankheitsfolgen zu beheben oder zu lindern, ist zwar eine ärztliche Untersuchung zur Erkennung des Leidens oft gar nicht mehr notwendig. Aber auch in diesen Fällen beginnt die Heilbehandlung mit der ersten Inanspruchnahme jeglicher ärztlicher Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Tätigkeit des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt2. Diese Auslegung trägt dem Umstand Rechnung, dass es dem Versicherungsnehmer anderenfalls möglich wäre, zunächst eine ärztliche Diagnose und Beratung über mögliche Behandlungsformen einzuholen, sodann eine Krankenversicherung abzuschließen bzw. eine bestehende Krankenversicherung zu erhöhen, um danach die Heilbehandlung in Anspruch nehmen zu können. Sobald nämlich der Versicherte wegen einer Krankheit einen Arzt einmal in Anspruch genommen hat, hindert ihn die Klausel daran, den Versicherungsfall willkürlich abzubrechen und einen neuen zu einem ihm geeignet erscheinenden Zeitpunkt zu beginnen, obwohl es sich tatsächlich um die Weiterbehandlung der früheren Krankheit handelt3.

Entscheidend für den Beginn der Heilbehandlung ist nicht der konkrete Auftrag des Patienten an den Arzt, sondern die (behandlungsbedürftige) Krankheit selbst4.

Der Versicherungsfall endet erst dann, wenn nach medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht5.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17. Dezember 2014 – IV ZR 399/13

  1. BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – IV ZR 307/12, VersR 2013, 1558 Rn. 13; BGH, Urteile vom 10.07.1996 – IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208, 211 f.; vom 17.12 1986 IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228, 233f.; vom 29.11.1978 – IV ZR 175/77, VersR 1979, 221 unter III; jeweils m.w.N.[]
  2. BGH, Urteil vom 25.01.1978 – IV ZR 25/76, VersR 1978, 362, 364 unter – III 2 b; BGH, Urteile vom 20.02.1956 – II ZR 6/55, VersR 1956, 186; vom 20.12 1956 – II ZR 8/56, VersR 1957, 55 unter 2; OLG Oldenburg VersR 2012, 1548, 1549; OLG Dresden VersR 2009, 1651[]
  3. BGH, Urteil vom 14.12 1977 – IV ZR 12/76, VersR 1978, 271, 272 unter – II 1; OLG Hamm VersR 1989, 614 unter 1[]
  4. BGH, Urteil vom 14.09.1977 – IV ZR 12/76, VersR 1978, 271 unter – II 1; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – IV ZR 307/12, VersR 2013, 1558 unter – III 1[]
  5. BGH, Urteil vom 14.12 1977 – IV ZR 12/76, VersR 1978, 271, 272 unter – II 1[]