Langjähriger Wohnungsleerstand – und die Einkünfteerzielungsabsicht

Kann ein Steuerpflichtiger eine in seinem Eigentum stehende Wohnung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzen und zur Vermietung bereitstellen, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen vom Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht ausgeht.

Langjähriger Wohnungsleerstand – und die Einkünfteerzielungsabsicht

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der im Zusammenhang beabsichtigten Vermietung einer (leerstehenden) Wohnung an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung nicht aufgegeben hat.

Danach sind Aufwendungen für Wohnungen, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leer stehen, auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der jeweiligen Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen. Für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Vermietungsbemühungen als Voraussetzungen einer (fort-)bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz obliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast. Das Finanzgericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden1.

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Diese Maßstäbe, die der Bundesfinanzhof zur Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand von Wohnungen entwickelt hat, sind in Fällen, in denen -wie im Streitfall- die Betriebsbereitschaft des Objekts nach vorangegangener Vermietung in der Leerstandszeit wegfällt, entsprechend anzuwenden. Danach hat das Finanzgericht die Berücksichtigung der Werbungskostenüberschüsse in den Streitjahren zu Recht versagt.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern2 in der Vorinstanz zutreffend eine Einkünfteerzielungsabsicht des Eigentümers im Streitzeitraum für die streitige Wohnung Nr. 9 in dem Objekt verneint. Denn nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des Finanzgericht befand sich die Wohnung in den Streitjahren -unstreitig- nicht mehr in einem vermietbaren Zustand. Dies hat das Finanzgericht aus zahlreichen Tatsachen, u.a. auch dem Zustand der Immobilie hergeleitet3. Der Eigentümer hat selbst eingeräumt, eine Vermietung wäre erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen möglich gewesen, deren Durchführung in den Streitjahren jedoch nicht möglich war. Dabei war für das Finanzgericht auch maßgeblich, dass der Zustand der fehlenden Betriebsbereitschaft kein vorübergehender war, sondern im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung seit mehr als 17 Jahren und damit besonders lang andauerte und das Ende dieses Zustands auch nicht konkret abgeschätzt werden konnte.

Das Finanzgericht hat dabei zutreffend in seine Würdigung einbezogen, dass der Eigentümer sich um eine Sanierung und damit Fertigstellung der Wohnung auch in den Streitjahren -durchaus intensiv und auch durch Beteiligung an den beschlossenen (Sonder-)Umlagen- bemüht hat. Es hat aber ebenfalls darauf abgestellt, dass der Eigentümer offenbar nicht in der Lage gewesen ist, eine Vermietung des Objekts zu erreichen. Denn zum Erreichen dieses Ziels war der Eigentümer auf die anderen Miteigentümer angewiesen, deren tatsächliche und finanzielle Mitwirkung in den Streitjahren nicht vorlag. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen sowohl in der Wohnung des Eigentümers als auch im Bereich des Gemeinschaftseigentums die Zustimmung in den Eigentümerversammlungen und finanzielle Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer der Anlage notwendig waren, deren Einholung in den Streitjahren mehrfach gescheitert und auch zukünftig (mehr als) unsicher und auch zeitlich nicht absehbar war.

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Ausgehend von diesen objektiven Umständen ist der Schluss des Finanzgericht, der Eigentümer habe die Einkünfteerzielungsabsicht für die streitige Wohnung bereits vor Beginn des Streitzeitraums aufgegeben und bis zum Ende des Streitzeitraums nicht wieder aufgenommen, nach dem eingeschränkten Maßstab revisionsrechtlicher Kontrolle4 nicht zu beanstanden. Nach der vom Finanzgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffenen Gesamtwürdigung steht fest, dass es dem Eigentümer spätestens seit 2005 nicht möglich war, die Vermietbarkeit der Wohnung herzustellen. Denn nach den Feststellungen des Finanzgericht hatte der Eigentümer wegen der fehlenden Mitwirkung der übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft nicht die Macht (d.h. die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit), die Betriebsbereitschaft des Objekts herzustellen und damit eine Vermietung der Immobilie zu erreichen. In diese Gesamtwürdigung des Finanzgericht fügt sich ein, dass nach den Feststellungen des Finanzgericht die über Hausverwaltungen und Makler vorgenommenen Vermietungsbemühungen in den Streitjahren nicht ernsthaft und nachhaltig gemeint waren. Sie konnten aufgrund des Zustands der Anlage nach den Feststellungen des Finanzgericht nur ins Leere laufen und dienten, was der Eigentümer in seiner Revisionsbegründung auch nicht über Verfahrensrügen in Streit zieht, lediglich der Prüfung, ob überhaupt Mietinteressenten vorhanden sind. Das Finanzgericht hat damit die fehlende Möglichkeit des Eigentümers, aufgrund des Zustands der Immobilie und der ausbleibenden Mitwirkung der anderen Wohnungseigentümer die Vermietbarkeit des Objekts herzustellen, und die nicht ernsthaft gemeinten Vermietungsbemühungen zu seiner Überzeugungsbildung herangezogen. Diese Würdigung ist, wenngleich nicht zwingend, so doch möglich und lässt weder einen Verstoß gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze erkennen; sie bindet gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Bundesfinanzhof.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 31. Januar 2017 – IX R 17/16

  1. vgl. BFH, Urteile vom 11.12 2012 – IX R 14/12, BFHE 239, 453, BStBl II 2013, 279; und vom 13.01.2015 – IX R 46/13, BFH/NV 2015, 668[]
  2. FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 06.04.2016 – 3 K 44/14[]
  3. vgl. zu einer Würdigung bei fehlender Vermietbarkeit auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 09.07.2013 – IX R 48/12, BFHE 241, 572, BStBl II 2013, 693, unter II. 3.b[]
  4. vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 118 Rz 30[]