Betriebsausgabenabzug trotz nicht erbrachter Eingangsleistung

Der Betriebsausgabenabzug setzt nicht ausnahmslos voraus, dass den entsprechenden Aufwendungen ein nachgewiesener Leistungserfolg gegenüber steht. Vielmehr kann die steuerliche Abzugsfähigkeit auch darauf beruhen, dass der Steuerpflichtige Zahlungen in der Annahme leistet, sie würden den beabsichtigten bzw. vertraglich ausbedungenen Erfolg herbeiführen, wenn die Aufwendungen auch bei einer abstrakt-objektiven Betrachtungsweise zur Förderung des Betriebs geeignet sind.

Betriebsausgabenabzug trotz nicht erbrachter Eingangsleistung

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG -hier i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG- sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind1. Nach dem Regelungsziel des Einkommensteuergesetzes sind Aufwendungen dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzu wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich für das Bestehen eines solchen Zusammenhangs ist zum einen die wertende Betrachtung des die Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergibt diese Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, sind sie als Betriebsausgaben anzuerkennen und -vorbehaltlich einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung- abziehbar.

In der Literatur wird dazu unter Verweis auf den Wortlaut des § 4 Abs. 4 EStG („veranlasst“, nicht aber „verursacht“) zutreffend ausgeführt, der Begriff der Veranlassung sei weiter als derjenige der Verursachung. Käme es auf die Verursachung an, wäre eine naturgesetzliche Notwendigkeit der betrieblichen Tätigkeit für die Aufwendungen erforderlich. Demgegenüber stelle die Veranlassung auf ein menschliches Verhalten ab; dieser Begriff beinhalte zunächst ein subjektives Element. Damit müsse der Betrieb aus der Sicht des Steuerpflichtigen auslösendes Moment für die Aufwendungen sein. Der objektive Zusammenhang mit dem Betrieb trete als Korrektiv hinzu; danach müsse der Betrieb auch aus objektiver Sicht zumindest unter anderem ausschlaggebend für die Aufwendungen sein2.

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Ein Verschulden des Steuerpflichtigen -auch in Gestalt eines strafbaren, ordnungswidrigen oder „unmoralischen“ Verhaltens- steht der betrieblichen Veranlassung von Aufwendungen wegen der Wertneutralität der Besteuerung und des Leistungsfähigkeitsprinzips grundsätzlich nicht entgegen3. Dies folgt ausdrücklich bereits aus § 40 AO. Anders liegt es nur dann, wenn das schuldhafte Fehlverhalten die betriebliche Veranlassung -im Sinne eines „privaten Motivs“- überlagert.

Danach setzt der Betriebsausgabenabzug nicht ausnahmslos voraus, dass den entsprechenden Aufwendungen ein nachgewiesener Leistungserfolg gegenüber steht. Vielmehr kann die steuerliche Abzugsfähigkeit auch darauf beruhen, dass der Steuerpflichtige Zahlungen in der Annahme leistet, sie würden den beabsichtigten bzw. vertraglich ausbedungenen Erfolg herbeiführen. Als Korrektiv ist zusätzlich nur zu prüfen, ob die Aufwendungen auch bei einer abstrakt-objektiven Betrachtungsweise zur Förderung des Betriebs geeignet sind.

Auf diesen Grundsätzen beruht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach auch ein Aufwand, der bei einer objektiv-rückblickenden Betrachtung ohne Gegenleistung geblieben ist, betrieblich veranlasst sein kann. So schließt die Vergeblichkeit von Aufwendungen den Betriebsausgabenabzug nicht aus4. Auch Aufwendungen, die wegen der Insolvenz oder der Leistungsunwilligkeit des Vertragspartners letztlich objektiv ohne Gegenleistung bleiben, sind als Betriebsausgaben abziehbar.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist nach den Feststellungen des Strafgerichts und des Finanzgericht revisionsrechtlich davon auszugehen, dass der Unternehmer tatsächlich nicht erkannt hatte, dass den an ihn gestellten Rechnungen (teilweise) keine Leistungen zugrunde lagen, auch wenn die fehlende Kenntnis des Unternehmers auf einer leichtfertigen Verletzung seiner Prüfungspflichten beruhte. Er ist daher zwar einerseits Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts, andererseits aber auch -so jedenfalls der revisionsrechtlich zugrunde zu legende Sachverhalt- selbst Opfer einer Vorsatztat Dritter.

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In einem solchen Fall handelt ein Steuerpflichtiger beim Tätigen der Aufwendungen noch in der Annahme, sie würden seinem Betrieb einen Nutzen bringen. Dies gilt hier umso mehr, als die bezogenen Eingangsleistungen aus Sicht des Unternehmers erforderlich waren, um die -tatsächlich erhaltenen und von ihm versteuerten- Betriebseinnahmen aus der Weiterberechnung der Schulungsleistungen, deren Höhe erheblich war und die der Betriebsausgaben überstieg, zu erzielen („auslösendes Moment“).

Die als Korrektiv vorzunehmende objektivierende Betrachtung führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Allgemeinen ist der Bezug und die Bezahlung von Eingangsleistungen betrieblich erforderlich, um gleichartige Ausgangsleistungen abrechnen und daraus betriebliche Einnahmen erzielen zu können.

Auch ist im Streitfall eine Nähe der Aufwendungen zur privaten Sphäre des Unternehmers -oder gar ihr späterer Rückfluss an den Unternehmer- weder vom Finanzamt vorgetragen noch vom Finanzgericht festgestellt noch nach Aktenlage sonst ersichtlich.

Hinzu kommen im vorliegenden Fall die aus dem objektiven Nettoprinzip abzuleitenden Wertungen: Die erheblichen Einnahmen, die der Unternehmer aus der Weiterberechnung der -tatsächlich teilweise nicht erbrachten- Schulungsleistungen seiner Subunternehmer erzielt hat, sind vom Finanzamt der Besteuerung unterworfen worden. Würde man nun den Betriebsausgabenabzug für die korrespondierenden Aufwendungen versagen, träte eine Bruttobesteuerung ein, die unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht zu rechtfertigen wäre.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat sich in der Vorinstanz für ihre abweichende Auffassung5 entscheidend auf den -im Rahmen einer summarischen Prüfung in einem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ergangenen- BFH, Beschluss in BFH/NV 1994, 1736 gestützt. Der dort zu beurteilende Sachverhalt ist aber in wesentlichen Merkmalen nicht mit dem Streitfall vergleichbar. Vielmehr war dort der tatsächliche Sachverhalt vollkommen unaufgeklärt geblieben. Das dortige Finanzamt hatte den Betriebsausgabenabzug mit der Begründung versagt, die in den Rechnungen bezeichneten Eingangsleistungen seien tatsächlich nicht erbracht worden; auch sei ein Zahlungsfluss nicht nachweisbar. Die Rechnungssteller seien „durchweg seit zwanzig Jahren ausnahmslos Steuerhinterzieher“ und schon deshalb nicht glaubwürdig. Die dortige Steuerpflichtige behauptete, die Leistungen seien erbracht worden, allerdings möglicherweise nicht von demjenigen, der die Rechnung ausgestellt habe („Schwarzarbeiter“). Dem war das dortige Finanzgericht gefolgt. Demgegenüber hielt es der Bundesfinanzhof im Rahmen seiner summarischen Prüfung für möglich, dass die Eingangsrechnungen vollständig fingiert worden seien und nur dazu dienten, der Steuerpflichtigen einen unberechtigten Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug gegen Zahlung einer anteiligen Provision zu verschaffen.

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Die im Beschluss des Bundesfinanzhofs enthaltenen; vom Finanzamt und Finanzgericht zitierten Aussagen sind vor dem Hintergrund dieses besonderen Sachverhalts zu verstehen und haben daher für den Streitfall keine Bedeutung.

Die vom Finanzamt zitierte Rechtsprechung7, die den Gutglaubensschutz bereits dann entfallen lässt, wenn der Steuerpflichtige hätte wissen müssen, dass er sich an einem Betrug beteiligt, ist zum Umsatzsteuerrecht und den entsprechenden europarechtlichen Grundlagen ergangen. Sie kann auf das Ertragssteuerrecht schon deshalb nicht übertragen werden, weil § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG -anders als § 4 Abs. 4 EStG- für den Vorsteuerabzug ausdrücklich fordert, dass die (Eingangs-)Leistungen „ausgeführt worden sind“.

Die vorliegende Sache war damit auch spruchreif. Zwar hat das Finanzgericht ausdrücklich offen gelassen, ob es sich bei den Schulungsunternehmen um Scheinunternehmer gehandelt habe. Darauf kommt es im Streitfall jedoch nicht an.

Eine Zahlung an einen Scheinunternehmer bzw. auf eine Scheinrechnung ist dann vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, wenn der Zahlende weiß, dass die Rechnung nur zum Schein gestellt ist, weil es dann an der subjektiven Voraussetzung des Betriebsausgabenabzugs -der Eignung, dem Betrieb zu dienen- fehlt8. Vorliegend ist nach den Feststellungen des Finanzgericht indes von einer -wenn auch leichtfertigen und damit vorwerfbaren- Unkenntnis des Unternehmers auszugehen.

In einem solchen Fall des unvorsätzlichen Handelns folgen aus dem Gesichtspunkt des „Scheinunternehmers“ keine Einschränkungen des Betriebsausgabenabzugs, die über die bereits berücksichtigten Gesichtspunkte hinausgehen.

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Darüber hinaus bieten weder die Feststellungen des Finanzgericht noch das Vorbringen des Finanzamt Anhaltspunkte dafür, dass an den Unternehmer ein Benennungsverlangen i.S. des § 160 AO gerichtet worden sein könnte, dem dieser nicht nachgekommen wäre, zumal er spätestens im Klageverfahren auch die hinter den GmbH stehenden Personen benannt hat. Auch aus diesem Grund ist daher keine Zurückverweisung geboten.

Danach waren hier die vom Finanzamt nicht berücksichtigten Beträge zum Betriebsausgabenabzug im Rahmen der Ermittlung der Gewerbesteuermessbeträge zuzulassen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. November 2015 – X R 3/14

  1. BFH, Beschluss vom 04.07.1990 – GrS 3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II. 2. vor a, m.w.N.[]
  2. vgl. zum Ganzen Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 4 EStG Rz 793, m.w.N.[]
  3. so ausdrücklich HHR/Stapperfend, § 4 EStG Rz 835, mit Nachweisen auf die Rechtsprechung des BFH zu leichtfertig verursachten Verkehrsunfällen, Strafverteidigungskosten, Geldbußen und -strafen; Letztere vor Einführung entsprechender spezialgesetzlicher Abzugsverbote[]
  4. zu „erfolglosen Aufwendungen“ BFH, Urteil vom 04.03.1986 – VIII R 188/84, BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373, unter II. 1.; zu „unangemessenen Aufwendungen“ BFH, Urteil vom 08.10.1987 – IV R 5/85, BFHE 150, 558, BStBl II 1987, 853; zu „Fehlmaßnahmen“ BFH, Urteil vom 07.06.1988 – VIII R 76/85, BFHE 154, 462, BStBl II 1989, 97, unter 1. vor a; zu einer von einem Mitgesellschafter unterschlagenen Einlage in eine Personengesellschaft BFH, Urteil vom 29.03.2000 – X R 99/95, BFH/NV 2000, 1188, unter II. 1.; dort auch Nachweise auf die BFH-Rechtsprechung zur Abziehbarkeit von Schäden durch Diebstähle von Angestellten oder Dritten[]
  5. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013 – 5 K 5015/11[]
  6. daran anschließend FG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2012 1 – V 1652/12 A (E) []
  7. EuGH, Urteil „Kittel und Recolta Recycling“ vom 06.07.2006 – C-439, 440/04, EU:C:2006:446, Slg. 2006, I-6161; BFH, Urteile vom 19.04.2007 – V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; vom 30.04.2009 – V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744; und vom 12.08.2009 – XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259[]
  8. vgl. z.B. die Sachverhalte, die den BFH, Beschlüssen vom 31.01.2013 – X B 21/12, BFH/NV 2013, 759; und vom 20.11.2013 – X B 164/13, BFH/NV 2014, 374 zugrunde lagen[]
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