Betriebsratswahl – und die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 WO erfolgt die Wahl aufgrund von Vorschlagslisten, wenn – wie hier – mehr als drei Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Die Vorschlagslisten sind gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 WO von den Wahlberechtigten vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einzureichen.

Betriebsratswahl – und die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen

Für die Berechnung der Frist finden nach § 41 WO die §§ 186 bis 193 BGB entsprechende Anwendung.

Da für den Beginn der Frist der Erlass des Wahlausschreibens maßgebend ist, wird nach § 187 Abs. 1 BGB bei der Berechnung der Frist der Tag, an dem das Wahlausschreiben erlassen wurde, nicht mitgerechnet. Die Frist endet damit nach § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf des Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, an dem das Wahlausschreiben erlassen wurde.

In dem Wahlausschreiben hat der Wahlvorstand nach § 3 Abs. 2 Nr. 8 WO anzugeben, dass Wahlvorschläge vor Ablauf von zwei Wochen seit dem Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand in Form von Vorschlagslisten einzureichen sind. Dabei ist der letzte Tag der Frist anzugeben. Die vorgeschriebene Angabe des letzten Tages der Frist ist nur eine zusätzliche Klarstellung. Sie soll dem Wahlvorstand keinen Spielraum einräumen1.

Der Wahlvorstand kann die Möglichkeit zur Einreichung von Wahlvorschlägen am letzten Tag der Frist auf das Ende der Arbeitszeit im Betrieb oder auf das Ende der Dienststunden des Wahlvorstands begrenzen, wenn dieser Zeitpunkt nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer liegt2. Dem steht nicht entgegen, dass die gesetzliche Frist des § 6 WO nicht zur Disposition des Wahlvorstands steht.

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Der Wahlvorstand kann keine andere als die gesetzlich vorgesehene Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen festlegen. Dies gilt nicht nur für den letzten Tag der Frist3, sondern auch für die Uhrzeit des Fristablaufs4. Die WO gewährt dem Wahlvorstand insoweit keinen Spielraum. Hätte der Verordnungsgeber dem Wahlvorstand die Befugnis einräumen wollen, die Uhrzeit des Fristablaufs im Hinblick auf die betrieblichen Gegebenheiten abweichend vom gesetzlich vorgesehenen Fristende zu bestimmen, so hätte er in § 3 Abs. 2 Nr. 8 WO – ähnlich wie in § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO – angeordnet, die Uhrzeit in dem Wahlausschreiben anzugeben5.

Diese gesetzlichen Vorgaben hindern den Wahlvorstand jedoch nicht, in dem Wahlausschreiben den Zeitpunkt anzugeben, bis zu dem ihm am letzten Tag der Frist Wahlvorschläge zugehen können. Damit verkürzt der Wahlvorstand nicht die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, sondern gibt bekannt, bis zu welchem Zeitpunkt ein fristgerechter Zugang der Vorschlagslisten bei ihm bewirkt werden kann.

Auf den Zugang von Wahlvorschlägen beim Wahlvorstand finden die allgemeinen Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen Anwendung. Wird ein Wahlvorschlag an der angegebenen Adresse des Wahlvorstands einem Wahlvorstandsmitglied übergeben, geht er dem Wahlvorstand im Zeitpunkt der Übergabe zu. Wird der Wahlvorschlag an der Betriebsadresse des Wahlvorstands in dessen Briefkasten oder sonstige Zugangsvorrichtung eingeworfen, geht er nicht ohne weiteres im Zeitpunkt des Einwurfs zu6, sondern erst dann, wenn unter Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse für den Wahlvorstand die Möglichkeit besteht, von dem Wahlvorschlag Kenntnis zu nehmen7.

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Die Angabe in dem Wahlausschreiben, dass die Wahlvorschläge bis zum Ende der Arbeitszeit in dem Betrieb oder der Dienststunden des Wahlvorstands eingereicht werden müssen, trägt daher den allgemeinen Regelungen über den (rechtzeitigen) Zugang von Willenserklärungen Rechnung8. Wird ein Wahlvorschlag erst später in den Briefkasten des Wahlvorstands eingeworfen, besteht für den Wahlvorstand unter Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse erst am Folgetag die Möglichkeit, von dem Wahlvorschlag Kenntnis zu nehmen, denn es ist von ihm nicht zu erwarten, dass er sich über das Ende der betrieblichen Arbeitszeit bzw. der Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer hinaus bis 24:00 Uhr im Betrieb aufhält, um einen Zugang von Wahlvorschlägen zu ermöglichen. Hierzu ist der Wahlvorstand nicht verpflichtet.

Das Amt des Wahlvorstandsmitglieds ist ein Ehrenamt. Die Tätigkeit des Wahlvorstands findet grundsätzlich während der Arbeitszeit statt. Zwar haben Wahlvorstandsmitglieder, die betriebsbedingt außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit erforderliche Wahlvorstandstätigkeit leisten, in entsprechender Anwendung von § 37 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Freizeitausgleich9. Das begründet allerdings nicht die Pflicht, sich am letzten Tag der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen über die Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer hinaus bis 24:00 Uhr im Betrieb aufzuhalten.

Gegenteiliges folgt auch nicht aus der Pflicht des Wahlvorstands, eingereichte Wahlvorschläge unverzüglich zu prüfen (§ 7 Abs. 2 WO). Daraus ergibt sich zwar, dass der Wahlvorstand am letzten Tag der Einreichungsfrist Vorkehrungen treffen muss, um kurzfristig zusammentreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können, damit ggf. vorhandene Mängel noch rechtzeitig behoben werden können10. Das bedeutet aber nicht, dass er sich hierzu über das Ende der Arbeitszeit der Mehrzahl der Arbeitnehmer hinaus im Betrieb aufhalten muss. Dies gilt auch in einem Betrieb, der im Schichtdienst „rund um die Uhr“ arbeitet. Von den Mitgliedern des Wahlvorstands kann auch am letzten Tag der Einreichungsfrist nicht erwartet werden, dass sie länger tätig werden als die Mehrheit der Arbeitnehmer des Betriebs, ggf. bis 24:00 Uhr. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer können sich aufgrund der Angaben in dem Wahlausschreiben auf das Ende der Dienstzeit der Mehrheit der Arbeitnehmer und des Wahlvorstands einstellen.

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Das voraussichtliche Ende der Arbeitszeit der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebs am Tag des Fristablaufs ist vom Wahlvorstand bei Erlass des Wahlausschreibens zu prognostizieren.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hielt danach die Annahme des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt11, die vom Wahlvorstand festgesetzte Frist für die Einreichung von Vorschlagslisten auf 14:00 Uhr am 21.02.2014 liege nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebs, einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand. Die bislang getroffenen Feststellungen tragen diese Bewertung nicht:

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, da im Produktionsbereich des Betriebs im Drei-Schicht-System mit ca. 50 Arbeitnehmern pro Schicht gearbeitet werde, Schichtwechsel und damit das Ende der Arbeitszeit für die Beschäftigten der jeweiligen Schicht um 06:00 Uhr, 14:00 Uhr und 22:00 Uhr sei und für die etwa 25 Beschäftigten in der Verwaltung die Arbeitszeit nicht vor 15:00 Uhr ende, habe am 21.02.2014 lediglich die Arbeitszeit der 25 Arbeitnehmer der Verwaltung und von ca. 50 Beschäftigten der Spätschicht nach 14:00 Uhr geendet. Die Arbeitszeit des überwiegenden Teils der insgesamt 327 wahlberechtigten Arbeitnehmer sei daher nicht betroffen.

Diese Berechnung des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt war für das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht nachvollziehbar. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts waren seinerzeit in dem Betrieb insgesamt 327 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Nach den weiteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass am 21.02.2014 die Arbeitszeit von ca. 50 in der vorangegangenen Nachtschicht (20./21.02.2014) tätigen Arbeitnehmern und von ca. 50 Arbeitnehmern der Frühschicht bis 14:00 Uhr endete, nicht jedoch die Arbeitszeit von ca. 50 Arbeitnehmern der Spätschicht und der ca. 25 in der Verwaltung beschäftigten Arbeitnehmer. Damit hat das Landesarbeitsgericht lediglich Feststellungen zum Ende der Arbeitszeit von ca. 175 der insgesamt 327 wahlberechtigten Arbeitnehmer am 21.02.2014 getroffen. Feststellungen zu den restlichen ca. 152 Arbeitnehmern fehlen. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob und aufgrund welcher Umstände der Wahlvorstand bei Erlass des Wahlausschreibens am 7.02.2014 annehmen durfte, dass die Arbeitszeit der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebs am 21.02.2014, dem letzten Tag der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, spätestens um 14:00 Uhr enden würde.

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Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 7 ABR 11/16

  1. BAG 9.12 1992 – 7 ABR 27/92, zu B II der Gründe; vgl. zu § 6 Abs. 2 Nr. 8 BPersVWO BVerwG 17.07.1980 – 6 P 4.80[]
  2. vgl. zur Frist für Einsprüche gegen die Wählerliste nach § 4 WO BAG 4.10.1977 – 1 ABR 37/77, zu III 2 c der Gründe; zur Frist für Einsprüche gegen die Wählerliste nach § 6 Abs. 1 WO DrittelbG vgl. BAG 15.12 2011 – 7 ABR 56/10, Rn. 28[]
  3. BAG 9.12 1992 – 7 ABR 27/92, zu B II der Gründe[]
  4. vgl. etwa Jacobs GK-BetrVG 11. Aufl. § 6 WO Rn. 5, § 4 WO Rn. 5; Boemke BB 2009, 2758 f.; vgl. auch BVerwG 17.07.1980 – 6 P 4.80, zu § 6 Abs. 2 Nr. 8 BPersVWO[]
  5. vgl. BVerwG 17.07.1980 – 6 P 4.80, zu § 6 Abs. 2 Nr. 8 BPersVWO[]
  6. so wohl aber zur BPersVWO BVerwG 17.07.1980 – 6 P 4.80[]
  7. vgl. zum Zugang von Willenserklärungen: BAG 26.03.2015 – 2 AZR 483/14, Rn. 37; BGH 11.04.2002 – I ZR 306/99, zu II der Gründe[]
  8. vgl. zu § 4 WO BAG 4.10.1977 – 1 ABR 37/77, zu III 2 c der Gründe; ähnlich Jacobs GK-BetrVG 11. Aufl. § 6 WO Rn. 5, § 4 WO Rn. 5; Boemke BB 2009, 2758 f.[]
  9. BAG 26.04.1995 – 7 AZR 874/94, zu I 1 der Gründe, BAGE 80, 54[]
  10. BAG 18.07.2012 – 7 ABR 21/11, Rn. 26; 21.01.2009 – 7 ABR 65/07, Rn. 25; 25.05.2005 – 7 ABR 39/04, zu B II 2 a der Gründe, BAGE 115, 34[]
  11. LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.08.2015 – 3 TaBV 29/14[]
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