Vereinbarung der Wohnungseigentümer – und ihre gerichtliche Ersetzung

Eine Vereinbarung kann durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG ersetzt werden, wenn einem Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG ein Anspruch auf ihren Abschluss zusteht, die übrigen Wohnungseigentümer diesen nicht erfüllen und bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung Spielraum besteht.

Vereinbarung der Wohnungseigentümer – und ihre gerichtliche Ersetzung

Die klagenden Wohnungseigentümer machen in diesem Fall einen Anspruch auf interessengerechte Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 3 WEG geltend, der – sofern die Wohnungseigentümer über die verlangte Regelung durch Beschluss entscheiden können (§ 15 Abs. 2 WEG) – mit einer Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG durchgesetzt werden kann1. Für die Bestimmtheit des Klageantrages ist ausreichend, dass das Rechtsschutzziel hinreichend deutlich wird2. Dies ist der Fall. Die Kläger erstreben eine möglichst gleichmäßige Nutzung des Gartens durch alle Wohnungseigentümer.

Der vorherigen Befassung der Eigentümerversammlung mit der Angelegenheit bedarf es nicht, wenn – wie hier im Hinblick auf die tiefgreifende Zerstrittenheit der Parteien und die Stimmengleichheit – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein dem Klageziel entsprechender Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, ist die Vorbefassung der Versammlung ausnahmsweise entbehrlich3.

Die vom Gericht getroffene Rotationsregelung muss jedoch billigem Ermessen im Sinne von § 15 Abs. 3 WEG entsprechen.

Das Gericht hat die im Rahmen von § 21 Abs. 8 WEG festzulegende Regelung nach denselben Maßstäben zu treffen, wie sie das Wohnungseigentumsgesetz den Wohnungseigentümern vorgibt4, im Fall der Ersetzung eines Beschlusses über eine interessengerechte Gebrauchsregelung gemäß § 15 Abs. 3 WEG also nach billigem, das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer berücksichtigende Ermessen.

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Die Ausübung dieses Ermessens ist von dem Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben, die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten sind und in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise von dieser Gebrauch gemacht wurde5.

Ist aber davon auszugehen, dass die vom gericht getroffene Gebrauchsregelung (hier: die täglich wechselnde Nutzung des Gartens) den Wünschen aller Wohnungseigentümer widerspricht und zudem neue Konflikte hervorrufen wird, stellt sie keine interessengerechte und damit billigem Ermessen entsprechende Gebrauchsregelung dar.

Nach § 21 Abs. 8 WEG kann das Gericht in einem Rechtsstreit gemäß § 43 WEG nach billigem Ermessen entscheiden, wenn die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht treffen, soweit sich diese nicht aus dem Gesetz, einer Vereinbarung oder einem Beschluss ergibt. Der Begriff der Maßnahme umfasst beide Handlungsalternativen der Wohnungseigentümer und nicht lediglich Beschlüsse6. Eine Vereinbarung stellt sich nämlich dann als eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme dar, wenn ein Wohnungseigentümer auf ihren Abschluss nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG einen Anspruch hat. Erfüllen die übrigen Wohnungseigentümer diesen Anspruch nicht, kann auch eine Vereinbarung durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG ersetzt werden, wenn bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung Spielraum besteht7. Wie bei einer Beschlussersetzung wird der konkrete Inhalt der Vereinbarung durch eine gerichtliche Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG festgelegt, so dass im Klageantrag nur das Regelungsziel der verlangten Vereinbarung umschrieben werden muss. Anders ist es allerdings, wenn die Vereinbarung einen feststehenden Inhalt haben muss; in diesem Fall muss die Klage auf die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu einem bestimmten Vertragstext gerichtet sein8.

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§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG begründet einen (Individual)Anspruch jedes Wohnungs- oder Teileigentümers gegen die anderen Miteigentümer auf Abschluss einer Vereinbarung, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer unbillig erscheint9.

Soweit die Parteien bislang keine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelung getroffen haben, ist für die Nutzung des (hier:) im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartens § 13 Abs. 2 S. 1 WEG maßgebend. Danach ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt. Mitgebrauch in diesem Sinn ist das aus der Gemeinschaft der Eigentümer herzuleitende Recht der Eigentümer, persönliche Gebrauchsvorteile aus der gemeinschaftlichen Sache zu ziehen, d.h. an dieser den Mitbesitz im Sinne des § 866 BGB auszuüben, der seiner Natur nach nicht in Bruchteilen bestehen kann. Die Gebrauchsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers ist also persönlichkeitsbezogen und unteilbar und nicht etwa quotal entsprechend seinem Miteigentumsanteil beschränkt. Sie findet ihre Grenzen entsprechend dem Gesetzeswortlaut nur in der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zum ordnungsgemäßen Gebrauch (§§ 14, 15 WEG)10.

Dieses Recht auf einen allseits gleichen Gebrauch des Gartens kann im vorliegenden Fall infolge der tiefgreifenden Zerrüttung des Verhältnisses der Parteien nicht verwirklicht werden. Sie lässt eine konfliktfreie Nutzung des Gartens, die hier auch in der Gartenpflege und der gärtnerischen Gestaltung durch die Wohnungseigentümer selbst liegen soll, nicht zu; eine solche kann, wie dargelegt, auch nicht durch eine Gebrauchsregelung erreicht werden. Damit liegen schwerwiegende Gründe vor, die ein Festhalten an der gesetzlichen Regelung unbillig erscheinen lassen. Um das beiderseitige Anliegen der Parteien zu gewährleisten, ist eine flächenmäßige Aufteilung des Gartens mit der Zuweisung von Flächen zur ausschließlichen Nutzung durch jeweils eine Partei erforderlich, die nur auf der Grundlage einer Vereinbarung erfolgen kann. Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarung den Anspruch auf gleichen Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums verwirklichen soll, spricht im Rahmen der Abwägung der Rechte und Interessen der Parteien im Grundsatz nichts dagegen, eine flächenmäßige Aufteilung mit dem Ziel einer in etwa hälftigen Aufteilung des Gartens vorzunehmen; hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung dieses Regelungsziels besteht dabei ein – die Anwendung des § 21 Abs. 8 WEG rechtfertigender – Spielraum hinsichtlich der konkreten Lage der Flächen.

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Sofern der Eigentümer einer der beiden Eigentumswohnungen zwischenzeitlich aus der Anlage ausgezogen sind und ihre Wohnung vermietet haben, kann es allerdings an dem Vorliegen schwerwiegender Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG fehlen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mieter tatsächlich kein Interesse an der Nutzung des Gartens hat.

Steht den Klägern ein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung mit einer flächenmäßig gleichwertigen Aufteilung des Gartens zur ausschließlichen Nutzung durch die jeweilige Partei zu, kann die zu ersetzende Vereinbarung nur schuldrechtlicher Natur sein. Wegen des mit § 21 Abs. 8 WEG verbundenen Eingriffs in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer dürfen Maßnahmen nämlich nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist11. Eine Eintragung im Grundbuch und die damit nach § 10 Abs. 3 WEG einhergehende Wirkung der Vereinbarung auch gegen Sonderrechtsnachfolger der Parteien ist nicht veranlasst, weil die zu treffende Gebrauchsregelung durch das Zerwürfnis der gegenwärtigen Wohnungseigentümer begründet ist und die Notwendigkeit einer solchen Regelung bei einer Veränderung der personellen Zusammensetzung anders zu beurteilen sein kann.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 191/15

  1. vgl. nur Bärmann/Suilmann, WEG, 13. Aufl. § 15 Rn. 49[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 23[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 14 f.[]
  4. vgl. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rn. 214[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 24; siehe auch BGH, Urteil vom 24.11.1995 – V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1055 zu § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB[]
  6. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rn.203; aA wohl Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 21 Rn. 87[]
  7. vgl. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rn.203; Becker, ZWE 2011, 172, 173; siehe auch KG, ZWE 2002, 324, 326 unter 6.; Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 15 Rn. 144; aA Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 15 Rn. 38; ders., Das neue WEG, 2007, § 2 Rn. 103[]
  8. vgl. Bärmann/Suilmann, WEG, 13. Aufl., § 10 Rn. 153, § 15 Rn. 49[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 17.12 2010 – V ZR 131/10, ZWE 2011, 170, 171[]
  10. vgl. BayObLGZ 1972, 109, 112 f.; OLG Hamm, ZWE 2001, 122, 123[]
  11. BGH, Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 31[]
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