Akteneinsicht über das Anwaltsfach – und die Aktenversendungspauschale

Fallen für die Versendung von Akten keine Auslagen an Dritte, sondern nur justizintern Personal- und Sachkosten an, ist der Ansatz der Pauschale nach Nr. 9003 KV GKG nicht gerechtfertigt.

Akteneinsicht über das Anwaltsfach – und die Aktenversendungspauschale

Nach gefestigter und einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung fällt die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV-GKG nicht an, wenn die Akten zur Gewährung von Akteneinsicht mit einem regelmäßig verkehrenden Dienstwagen der Justiz an das Gerichtsfach des Rechtsanwalts bei einem auswärtigen Gericht übersandt werden1.

Hingegen fällt die Gebühr dann an, wenn die Aktenversendung mit einem privaten externen Dienstleister oder einem externen Postdienstleister erfolgt2.

Nach der vor dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 geltenden Ziffer 9003 KV-GKG a.F. wurde die Pauschale „für die Versendung von Akten auf Antrag“ erhoben. Entsprechend dieser weiten Fassung war streitig, ob mit der Pauschale lediglich bare Sachaufwendungen der Justiz für Transport und Verpackung abgegolten werden sollte, oder ob auch der im Rahmen der Aktenversendung entstehende Serviceaufwand der Justizbehörden abgedeckt werden sollte. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hat die Bundesregierung zu ihrem Gesetzesentwurf, nach dem statt der bisherigen Pauschale von 12 € eine solche von 15 € erhoben werden sollte, auf die Kostensteigerung abgestellt und darauf hingewiesen, dass die Pauschale neben den reinen Versandkosten auch die Personal- und Sachkosten der Gerichte mit abgelte3. Wörtlich heißt es dort: „Mit der Änderung wird die Aktenversendungspauschale im Hinblick auf die tatsächlich mit der Versendung der Akten verbundenen und erheblich gestiegenen Kosten angehoben. Mit dieser Pauschale werden neben den reinen Versandkosten auch die Personal- und Sachkosten der Gerichte für die Prüfung des Einsichtsrechts, das Heraussuchen der Akte, die Versendung und die Rücklaufkontrolle sowie der Kosteneinzug mit abgegolten. Diese Kosten sind seit der letzten Erhöhung des Pauschalbetrags für die Aktenversendung im Jahre 2004 deutlich gestiegen. Er soll daher um 25 Prozent auf die Höhe der Mindestgebühr von 15 Euro angehoben werden.“

Insoweit heißt es im dortigen Entwurf Nr. 9003 des KV zum GKG weiterhin, dass die Pauschale für „die Versendung von Akten auf Antrag je Sendung“ erhoben werden sollte.

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Diesem offenbar fiskalisch motivierten Ansinnen ist der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vom 12.10.20124 jedoch entgegengetreten. Er war es, der angeregt hat, den Gesetzestext dahin zu fassen, dass mit Nr. 9003 KV-GKG eine „Pauschale für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen“ erhoben werden soll.5. In der Begründung heißt es hierzu:Durch die Änderung der Formulierung soll – wie bei Artikel 1 (Teil 3 Hauptabschnitt 1 Nummer 31003 KV GNotKG E) – klarer zum Ausdruck kommen, dass mit der Pauschale der Ersatz barer Auslagen gemeint ist.“

Mit diesem Wortlaut ist das Gesetz verabschiedet worden, weshalb davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber das Gesetz auf der Grundlage der Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages verstanden wissen wollte. Danach sollte die Pauschale also nur dann erhoben werden können, wenn der Justiz „bare Auslagen“ entstanden sind.

Mit Recht hat das OLG Düsseldorf herausgearbeitet, dass die Intention des Rechtsausschusses, etwas „klarer“ zum Ausdruck zu bringen, was mit den Auslagen für Transport und Verpackung gemeint sei, durch die von ihm gewählte Formulierung „bare Auslagen“ in der Begründung eher zur Verwirrung beigetragen habe. Tatsächlich gehe es ersichtlich nicht darum, nur und ausschließlich diejenigen Kosten für Versendung und Verpackung zu erstatten, die von einem Justizbediensteten mit „Bargeld“ anlässlich der konkreten Versendung verauslagt wurden, denn auch der Justizbetrieb habe sich der Entwicklung auf dem Bankensektor angepasst und bediene sich überwiegend des viel sicheren bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Weil es sich bei dem Gesetzesentwurf um einen solchen zur Modernisierung des Kostenrechts handele, sei deshalb auszuschließen, dass die Justizbehörden vom Gesetzgeber dazu gezwungen werden sollten, ihren Anspruch auf Erstattung durch Festhalten an eher antiquierten Zahlungsmethoden zu sichern. Die Neuformulierung des Auslagetatbestandes, der keinen Hinweis auf „Bares“ enthalte, lasse folglich nur die Auslegung zu, dass die Absicht der Bundesregierung, durch die Pauschale andere Kosten als die reinen Versand- und Verpackungskosten, die in Form von eigenen Personal- und Sachkosten den Justizbehörden entstehen, abzudecken, verhindert werden sollte. Transportleistungen, die durch eigene Justizkräfte mit eigenen Sachmitteln erfolgen, würden deshalb von Nr. 9003 nicht erfasst. Voraussetzung für eine Erstattung sei vielmehr eine zusätzliche – bare oder unbare – Geldleistung, die mit dem Aktentransport in Zusammenhang steht und deshalb „verauslagt“ sei6.

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Dieser Auffassung tritt das Oberlandesgericht Celle bei. Soweit der Gesetzgeber ausdrücklich auf bare Aufwendungen abstellt, kann darunter nicht nur vom Wortlaut, sondern auch vom Verständnis des Anliegens im Gesetzgebungsverfahren her ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber gemeint haben könnte, die Pauschale solle rein justizinterne und ohnehin anfallende Kosten abdecken.

Für die Frage der Erhebung der Pauschale nach Nr. 9003 KV-GKG ist daher zwischen den justizinternen Personal- und Sachkosten einerseits und baren Auslagen, die die Justiz gesondert an Dritte zu erbringen hat, zu differenzieren. Fallen nur justizinterne Personal- und Sachkosten an, kann die Pauschale nach Nr. 9003 KV-GKG nicht erhoben werden.

Gemessen daran hat die Landeskasse vorliegend nicht dargetan, dass die Voraussetzungen für die Erhebung einer Auslagenpauschale nach Nr. 9003 KV-GKG im Streitfall gegeben sind. Auf welcher tatsächlichen Grundlage das Landgericht gemeint hat, seiner Entscheidung zugrunde zu legen, durch die Übersendung der Akte von der Geschäftsstelle des Landgerichts Lüneburg an das Gerichtsfach des Prozessbevollmächtigten der Beklagten beim Amtsgericht Dannenberg seien dem Land Niedersachsen durch die Verpackung und durch den Transport der Akten tatsächlich bare Aufwendungen entstanden, erschließt sich nicht. Derartiges ergibt sich weder aus der Akte noch aus der Stellungnahme des Bezirksrevisors. Dieser konnte selbst nicht angeben, wie die Akte zur Akteneinsicht an das Amtsgericht Dannenberg gelangt ist. Er geht davon aus, dass die Akte entweder mit dem Dienstwagen oder mit der Sammelpost versendet worden ist, wobei unklar und nicht dargetan ist, was unter einer „Sammelpost“ zu verstehen ist. Ist die Akte mit dem Dienstwagen im Rahmen täglicher Fahrten vom und zum Amtsgericht Dannenberg transportiert worden, wie dies jedenfalls der Fall war, als der Berichterstatter noch beim Landgericht Lüneburg tätig war, ist die Ansicht des Bezirksrevisors nicht nachvollziehbar, auch in diesem Fall seien „bare Aufwendungen entstanden, die aus dem Justizhaushalt bezahlt werden müssen“. Offen bleibt nämlich, welche das sein sollen. Wenn ein Justizbediensteter mit dem Dienstwagen täglich ohnehin die Strecke für die Post vom und zum Amtsgericht Dannenberg fährt, fallen überhaupt keine gesonderten Kosten dadurch an, dass diese Akte mit gefahren worden ist. Soweit der Bezirksrevisor pauschal behauptet, auch für die Verpackung seien bare Aufwendungen angefallen, erschließt sich auch das nicht. Üblicherweise werden solche Akten bei einer Versendung für ein Akteneinsichtsgesuch über das Fach eines Rechtsanwalts bei einem Amtsgericht durch die Justiz selbst nicht verpackt. Ein Grund dafür, warum dies im Streitfall anders gewesen sein sollte, ist weder dargetan noch ersichtlich.

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Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 16. Februar 2016 – 2 W 32/16

  1. vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.11.2015 – 2 Ausl AR 16/15; OLG Köln, Beschluss vom 23.01.2015 – 14 WF 163/14, NJW-RR 2015, 1342; OLG Köln, Beschluss vom 16.10.2014 – 2 Ws 601/14, StraFo 2015, 40; OLG OLG Koblenz, Beschluss vom 20.03.2014 – 2 Ws 134/14, JurBüro 2014, 379; vgl. auch Burhoff, StRR 2015, 479[]
  2. vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.10.2015 – 1 Ws 164/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.08.2015 – 4 Ws 117/15, AGS 2015, 572; OLG Bamberg, Beschluss vom 05.03.2015 – 1 Ws 87/15, AGS 2015, 278; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.10.2015 – 1 Ws 164/15, JurBüro 2016, 31; OLG Köln 2. Strafsenat, Beschluss vom 07.07.2015 – 2 Ws 394/15[]
  3. BT-Drs. 17/11471 S. 314[]
  4. vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 314[]
  5. BT-Drs. 17/13537, S.191, 268[]
  6. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.08.2015 – 4 Ws 117/15, AGS 2015, 572 Rdnr. 13[]